DAS KONZEPT

Wir müssen
neue Wege gehen

Das Leben im Alter kann herausfordernd sein. Besonders dann, wenn man auf Hilfe angewiesen ist. Die Herausforderungen zu meistern kostet eine Menge Kraft. Nicht nur für die Betroffenen und ihre Angehörigen, sondern zunehmend auch für die Betreuungs- und Pflegekräfte, sowie die öffentlichen Seniorenstützpunkte und sozialen Trägerorganisationen.

Während die Anzahl älterer Menschen mit Pflegebedarf stetig zunimmt, wachsen die Versorgungsangebote nicht im gleichen Maße mit. Wir erleben eine immer größer werdende Diskrepanz zwischen Nachfrage und Angebot. Ein Umdenken ist dringend erforderlich.

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Pflege muss sich für Gepflegte und Pflegende gleichermaßen lohnen. Wo Menschen ihr Leben lang zur Gemeinschaft beitragen, muss die Gemeinschaft Angebote schaffen, die ihnen einen Lebensabend in Würde ermöglichen. Ein innovatives Wohn- und Pflegeangebot, das in den Niederlanden und anderen europäischen Nachbarländern bereits erfolgreich etabliert ist, bringt eine neue Perspektive: Das Konzept Pflegehof.

Pflegehöfe bestehen aus drei bis fünf Wohngemeinschaften mit jeweils zwölf Bewohner:innen. Mit Hilfe eines ambulanten Pflegedienstes wird eine 24-Stunden Betreuung der Wohngemeinschaften sichergestellt. Für die Organisation des Tagesgeschäfts gibt es eine Hofleitung. Die Wohngemeinschaften sind eingebettet in grüner Umgebung mit Zugang zu Natur und Tieren. Sogar die eigenen liebgewonnenen Haustiere können nach Möglichkeit mit auf den Hof gebracht werden.

Das gemeinschaftliche Wohnen und Leben ermöglicht es Erfahrungen, Schutz und Hilfestellungen miteinander zu teilen. Pflegehöfe erlauben ein Älterwerden in einer Gemeinschaft, in der es keine Verlierer oder Vereinsamung gibt.

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Bewohnerin beim Schmusen mit einem Huhn auf dem Pflegehof ZorgErf, Putten (Niederlande)
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Bewohnerin beim Füttern von Rehen auf dem Pflegeprojekt Lückerheide, Kerkrade (Niederlande)
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Bewohner:innen beim Versorgen der Schweine auf dem Pflegehof ZorgErf, Putten (Niederlande)
Auf Pflegehöfen denken wir Pflege neu, denn die Bewohner:innen werden nicht nur körperlich unterstützt. Pflegehöfe ermöglichen ihnen, neben dem Erhalt der wichtigen Alltagskompetenzen, auch weiterhin, ihren Hobbies und Vorlieben nachzugehen. Dazu sind auf jedem Pflegehof Außenanlagen mit vielen Grünflächen, Wegen, Orten zum Verweilen, zum Unterhalten und zur körperlichen Betätigung vorgesehen. Durch die Integration von Natur und Tieren eröffnen sich auf natürliche Weise sinnstiftende und zugleich motivierende Tätigkeitsfelder. Die Konsequenz ist ein Alltag voller Bewegung, die fit und gesund hält. Wir sind davon überzeugt, dass jeder Mensch eine Aufgabe in seinem Leben sucht, das Gefühl gebraucht zu werden, einen Sinn. Auf einem Pflegehof steht daher ein ganz normaler Alltag im Mittelpunkt. Ein Alltag, der an dem orientiert ist, was die Bewohner:innen noch können, statt an dem, was sie nicht mehr können. Ein Alltag, bei dem die Pflege als das gesehen wird, was sie ist: Die Basis eines erfolgreichen Tages, niemals das Ziel.

MITBESTIMMUNG

Ich möchte
eine Stimme haben

Auf Pflegehöfen steht die maximale Selbstbestimmung der Bewohner:innen im Mittelpunkt. Sie leben in überschaubaren Wohngemeinschaften, und entscheiden gemeinsam mit ihren Angehörigen selbst über alle Fragen des Zusammenlebens.

Die Bewohner:innen sind auf dem Pflegehof zu Hause. Sie sind ganz normale Mieter:innen. Das bedeutet, dass sie auch das Hausrecht ausüben. Pflegedienst und Hofleitung sind stets zu Gast. Zudem entscheiden die Wohngemeinschaften selbst, welchen ambulanten Pflegedienst sie beauftragen möchten. Durch die Entkopplung der Wohn- und Pflegeleistungen verbleibt ein Maximum an Mitbestimmung bei den Bewohner:innen und ihren Angehörigen.

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Für jeden Pflegehof wird eine eigenständige genossenschaftliche Struktur aufgebaut. Diese Struktur stellt sicher, dass die Belange aller Interessengruppen des Pflegehofs gehört werden. Die Bewohner:innen, ihre Angehörigen, die Pflegekräfte und alle Unterstützer:innen können Mitglied in der Genossenschaft werden. Sie können somit bei allen wichtigen Entscheidungen mitbestimmen. Dabei hat jedes Genossenschaftsmitglied genau eine Stimme.

Jede der Wohngemeinschaften des Pflegehofs bildet darüber hinaus einen Gemeinschaftsrat. Dieser besteht aus den Bewohner:innen oder ihren Vertreter:innen, in der Regel den Angehörigen. Er regelt das gemeinsame Zusammenleben in der Wohngemeinschaft und vertritt die Interessen gegenüber der Hofleitung. Jede Wohngemeinschaft kann den gemeinschaftlich genutzten Pflegedienst frei wählen. Sie schließen selbst die Pflegeverträge ab und könnten diese auch jederzeit wieder kündigen.

JETZT MITMACHEN

Sie finden unser Vorhaben unterstützenswert? Mit Hilfe unserer genossenschaftlichen Struktur möchten wir es möglichst vielen Menschen ermöglichen, sich an der Realisierung eines Pflegehofs zu beteiligen. Lesen Sie mehr über unsere Angebote für Unterstützer:innen.

LEBEN MIT DEMENZ

Das Thema Demenz verdient
unsere Aufmerksamkeit

Immer mehr Menschen entwickeln im Laufe ihres Lebens eine Demenz. Tatsächlich steigt die Anzahl der Menschen mit Demenz in Deutschland seit Jahren stetig an. Die deutsche Alzheimergesellschaft e.V. (2020) geht davon aus, dass sie von aktuell rund 1,6 Mio. bis zum Jahr 2050 auf bis zu 2,8 Mio. steigt. Ein Anstieg von 75 Prozent!

Besonders für Menschen mit Demenz ist die Unterbringung in konventionellen Versorgungsmodellen häufig nicht optimal. Durch knapp kalkulierte Personalschlüssel und mangelnde Aktivitätsmöglichkeiten kann ihren besonderen Bedürfnissen oftmals nicht ausreichend entsprochen werden. Für viele Menschen mit Demenz eigenen sich alternative Konzepte, die auf der Basis von Wohngruppen basieren, bedeutend besser. Daher richtet sich das Konzept Pflegehof auch explizit an Menschen mit Demenz. Bei der Ausarbeitung des Konzepts wurden die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz ganz besonders berücksichtigt.

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Auf vielen bereits etablierten Projekten zeigt sich, dass Menschen mit Demenz ganz besonders von der Wohn- und Lebensform Pflegehof profitieren können. Der aktive Alltag mit viel Bewegung, Natur und Tieren sorgt für eine intensive Auslastung der Bewohner:innen. Die vielen Eindrücke wirken bei den meisten Menschen mit Demenz enorm wohltuend. Auch die Wissenschaft hat das Potenzial von grünen Pflegeansätzen für Menschen mit Demenz erkannt und in den vergangenen Jahren ihre Forschung zu diesem Thema intensiviert.

So konnte anhand von Erfahrungen aus dem europäischen Ausland gezeigt werden, dass im Vergleich mit konventionellen Versorgungsmodellen Menschen mit Demenz auf Pflegehöfen eine signifikant höhere Lebensqualität aufweisen und das bei gleicher Pflegequalität (de Boer, Hamers, Zwakhalen, Tan & Verbeek, 2017). Allein der Kontakt mit der Natur kann die Gesundheit, die Heilung sowie das Denken fördern und die Lebensqualität verbessern (Bossen, 2010), auch verringert er innere Unruhe (Whear, Coon, Bethel, Abbott, Stein & Garside, 2014). Außerdem wurden positive Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden und die Einsamkeit nachgewiesen, daher werden naturbasierte Aktivitäten besonders häufig bei der Versorgung von Menschen mit Depressionen, Unruhe, Schlafproblemen und kognitiven Einschränkungen eingesetzt (Gagliardi & Piccinini, 2019).

In weiteren Studien wurde zudem explizit die Interaktion mit Tieren im Pflegekontext untersucht. Fast immer wurden positive Auswirkungen auf die Menschen mit Demenz festgestellt. So werden positive Emotionen und soziale Interaktionen häufiger und länger registriert (Wesenberg, Mueller, Nestmann & Holthoff-Detto, 2019), Einsamkeit wird signifikant reduziert (Banks & Banks, 2002) und die Lebensqualität insgesamt verbessert (Kårefjärd & Nordgren, 2019). Es konnte zudem gezeigt werden, dass durch die Interaktion mit Tieren das Fortschreiten von Agitation oder Depressionen verlangsamt (Majić, Gutzmann, Heinz, Lang & Rapp, 2013) und die sozialen Kompetenzen über alle Schweregrade der Demenz hinweg verbessert werden konnte (Yakimicki, Edwards, Richards & Beck, 2019).

Die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse deuten folglich darauf hin, dass Pflegehöfe ein glücklicheres und selbstbestimmteres Älterwerden für Menschen mit Demenz ermöglichen. Es gibt sogar erste Erfahrungsberichte, dass Bewohner:innen von Pflegehöfen nicht nur glücklicher sind, sondern zudem eine höhere Lebenserwartung haben als in konventionellen Versorgungsmodellen.

Weitere wissenschaftliche Studien

Als Doktorandin an der Universität Maastricht veröffentlicht unser Teammitglied Katharina Rosteius regelmäßig wissenschaftliche Abhandlungen zur Versorgung von Menschen mit Demenz auf alternativen Wohn- und Pflegekonzepten. Zusammen mit Ihren Kolleg:innen der Faculty of Health Medicine and Life Sciences forscht Sie dabei insbesondere auf so genannten ‚Green Care Farms‘ (zu Deutsch ‚Pflegehöfe‘) in den Niederlanden. Ihre Veröffentlichungen haben wir in unserem Pressebereich verlinkt.

FÜR PFLEGENDE

Das Konzept bietet
eine neue Perspektive für Pflegende

Wer bei der Entwicklung innovativer Pflegekonzepte häufig vergessen wird, sind die Menschen, die die Konzepte erst lebendig werden lassen. Die Menschen, die täglich an vorderster Front eine echte Glanzleistung vollbringen: Die Pflegenden. Viele von ihnen klagen zu Recht über eine zunehmende Arbeitsverdichtung und unwürdige Arbeitsbedingungen. Immer mehr Pflegende verlassen ihren Job. Gesamtgesellschaftlich betrachtet sehen wir uns einem massiven Fachkräftemangel gegenüber. Ein ‚weiter so‘ scheint unmöglich.

Auf Pflegehöfen werden die Interessen der Pflegenden genauso berücksichtigt, wie die der Gepflegten. Alle Pflegenden werden an der genossenschaftlichen Struktur der Pflegehöfe beteiligt, sodass ihr Mitspracherecht bereits im Konzept institutionalisiert wird. Die familienarchetypische Struktur der Pflege-WGs ermöglicht eine würdevolle Pflege und Betreuung der Bewohner:innen auf Augenhöhe – ohne Zeitdruck und Fahrzeiten.

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Für Pflegende

Für Menschen die in der Altenpflege tätig sind, oder tätig sein möchten, bieten Pflegehöfe eine unvergleichliche Möglichkeit in der eigenen Arbeit Erfüllung zu finden. Auf Pflegehöfen sind Pflegekräfte nicht nur Erfüller:innen der körperlichen Bedürfnisse. Hier wird aus Pflege eine ganzheitliche Alltagsbegleitung, bei der die eigentliche Pflege in den Hintergrund tritt. Dies setzt jedoch ein erweitertes Verständnis der eigenen Rolle und den Willen, das Gegenüber wirklich kennenzulernen, voraus. Für all jene, die dazu bereit sind, bieten Pflegehöfe die perfekte Umgebung dafür.

Alle Pflegenden sind auf den Pflegehöfen nicht direkt bei der Genossenschaft angestellt, sondern bei ambulanten Partner-Pflegediensten, die die Betreuung der Pflege-WGs übernehmen. Somit sind die Pflegenden bei etablierten Arbeitgeber:innen angestellt, die sich mit ihrer Materie auskennen. Wer Interesse hat, auf einem Pflegehof zu arbeiten, der kann sich gerne direkt über das Kontaktformular bei uns melden. Wir vermitteln gerne weiter.

Für ambulante Pflegedienste

Für ambulante Pflegedienste bieten Pflege-WGs eine wunderbare Möglichkeit, das eigene Portfolio zu erweitern. Sie können zwölf Menschen an einem Ort versorgen, ohne das unnötige Fahrtstrecken entstehen. Pflege-WGs sind dadurch unverhältnismäßig effizienter. Die Betreiber:innen ambulanter Pflegedienste können ihren Mitarbeiter:innen auf diese Weise neue, attraktive Arbeitsmodelle anbieten. In Pflege-WGs gilt: Mehr Kontakt, weniger Fahrzeiten.

Wer mehr über die Möglichkeiten erfahren möchte, die Betreuung einer oder mehrerer Pflege-WGs auf einem Pflegehof zu übernehmen, ist herzlich eingeladen, mit uns in Kontakt zu treten.

KONTAKT AUFNEHMEN

Sie wollen Teil eines Pflegehofs werden? Sie möchten uns bei der Realisierung eines Pflegehofs unterstützen? Sie wünschen auf dem Laufenden gehalten zu werden? Oder Sie möchten einfach mit uns ins Gespräch kommen? Dann nehmen Sie jetzt mit uns Kontakt auf. Wir freuen uns auf Ihre Nachricht.

gefördert durch:

Unsere Vision ist, dass alle Menschen in Würde und maximal selbstbestimmt alt werden können. Dazu wollen wir ein Angebot schaffen, bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht. Wir wollen uns stets darauf konzentrieren, was Menschen noch können, statt auf das, was sie nicht mehr können. Für uns ist Pflege mehr, als nur die Erfüllung der körperlichen Bedürfnisse. Sie ist eine umfassende Alltagsbegleitung und ist stets auf alle Bedürfnisse ausgerichtet.